Auf dem HĂŒgel sitzâ ich,
spĂ€hend in das blaue NebellandâŠ
⊠nach den fernen Triften sehend, wo ich dich, Geliebte, fand: Mit diesen Zeilen beginnt Ludwig van Beethovens 1816 vollendeter Liederkreis An die ferne Geliebte, der vielleicht erste Liederzyklus der Musikgeschichte, jedenfalls aber der erste bedeutsame, der sich nachhaltig im Konzertrepertoire festgesetzt hat. Seiner Entstehung war eines der schwierigsten Lebensjahre des Komponisten vorausgegangen: Die zunehmende Taubheit, finanzielle Sorgen ob des schwer erkrankten Bruders und kĂŒnstlerische Resignation prĂ€gten das Jahr; âverdrieĂlich ĂŒber vieles empfindlicher als alle andern Menschenâ, wie er seine GemĂŒtslage in einem Brief offenbarte. Erst rund um den Jahreswechsel 1815/16 scheint eine Wende eingetreten zu sein; neuer Lebensmut und Schöpferdrang erfassten Beethoven und fĂŒhrten zu Experimenten gleich in mehrere Richtungen. Das gilt fĂŒr die beiden ersten Cellosonaten op. 102 ebenso wie fĂŒr die Klaviersonate op. 101, die einige der kĂŒhnsten und anspruchsvollsten Passagen im Klavierwerk Beethovens enthĂ€lt â und eben den Liederkreis, der im April 1816 vollendet wurde.
EinschrĂ€nkungen und Entbehrungen, Resignation, schlieĂlich aber die Kraft, vorwĂ€rts zu schreiten: Viele Parallelen tun sich hier auf zu den vergangenen zweieinhalb Jahren. Auch die Schlosskonzerte gehen in ihre dritte Saison seit Ausbruch der Covid-Pandemie â und doch: Die Zeichen stehen gĂŒnstig, dass sich das Virus in Zukunft in nicht viel mehr als einer Randnotiz bemerkbar macht. Dementsprechend spĂ€hen auch wir wieder nach vorne in eine neue Saison, die wie gewohnt mit erstklassigen KĂŒnstler:innen und Ensembles, abwechslungsreichen Programmen und â ganz im Sinne Beethovens â mit der ein oder anderen NovitĂ€t aufwartet.
Hierzu zÀhlt etwa der Liederabend mit dem Tenor Klemens Sander und dem Pianisten Christian Schmidt (26.11.2022), deren Beethoven- und Schumann-Programm wir das Motto dieser Saison abgelauscht haben; beide treten erstmals in GleinstÀtten auf, ebenso das Wiener Korngold Ensemble (18.02.2023) sowie das junge, aber schon mehrfach preisgekrönte Simply Quartet (22.04.2023).
Schon wiederholt im Schloss zu Gast waren dagegen die Mitglieder des Trio FrĂŒhstĂŒck (22.10.2022), die jedoch ein so druckfrisches Werk im GepĂ€ck haben, dass die Musikerinnen es selbst noch nicht kennen: Erst im Laufe dieses Sommers entsteht ein eigens fĂŒr das Trio geschriebenes Werk der Salzburger Komponisten Ăngela Tröndle. Zeitgenössisches erklingt auch schon im Eröffnungskonzert der Saison, wenngleich die SphĂ€re eine ganz andere ist: Das UniversitĂ€tsorchester Graz unter Andrej Skorobogatko nimmt uns mit auf einen Streifzug durch die Geschichte der Filmmusik von Klassikern wie W. A. Mozart, Camille Saint-SaĂ«ns und der StrauĂ-Familie bis hin zu âneuen Klassikernâ von Ennio Morricone, John Williams und Andrew Lloyd Webber (25.09.2022). Ein weiteres Grazer Orchester gibt sich zum Jahreswechsel die Ehre (08.01.2023), wenn uns Ernst Wedam mit seinem Robert Stolz-Salonorchester im aus GleinstĂ€tten nicht mehr wegzudenkenden Neujahrskonzert schwungvoll in den JĂ€nner trĂ€gt â wobei ihm dieses Mal nicht nur Anita Voszech, sondern auch ein Ăberraschungsgast stimm- und ausdrucksstark als zur Seite stehen. Einen solistisch-intimen Kontrapunkt setzt der junge Pianist Philipp Scheucher in seinem Solorezital (19.03.2023) mit einem Schubert-Programm, in das stimmungsvolle Intermezzi des KĂ€rntner Komponisten Gerd KĂŒhr eingewoben sind. Und schlieĂlich steht am Ende der Saison die Fortsetzung eines Experiments, das in der vergangenen Saison mit groĂem Erfolg gewagt wurde: Das Vocalforum Graz unter seinem Leiter Franz Herzog bestreitet das erst zweite Chorkonzert in der Geschichte der Schlosskonzerte und festigt damit eine hoffentlich langlebige Tradition, auch die Meisterwerke des geistlichen und weltlichen Chorrepertoires in GleinstĂ€tten erlebbar zu machen.
Es ist also angerichtet fĂŒr eine abwechslungsreiche, anspruchsvolle und â wie wir uns vor allem wĂŒnschen â unterhaltsame 44. Saison bei den GleinstĂ€ttner Schlosskonzerten. Bleiben Sie uns auch weiterhin treu, kommen Sie zahlreich und erleben Sie mit uns prĂ€gende Stunden â ganz im Sinne des letzten Liedes aus Beethovens An die ferne Geliebte:
Nimm sie hin denn, diese Lieder, die ich dir, Geliebte, sang,
Singe die dann abends wieder zu der Laute sĂŒĂem Klang.
Thomas Wozonig